31. Januar 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Als der VfB Friedrichshafen am vergangen Samstag mit 3:0 gegen die Helios Grizzlys gewann, saß Simon Tischer als Zuschauer auf der Tribüne. Es war eines von „viel zu wenigen“ Spielen, die der ehemalige Kapitän seit seinem Karriereende im Mai 2018 in der ZF Arena gesehen hat, sagt Tischer fast schon entschuldigend. Einen Grund sich zu entschuldigen hat Tischer aber gar nicht. Schließlich hat sich sein Leben seit Mai erheblich verändert. Der Mann, der über 200 Mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft trug, trägt heute Schlips und Kragen.
2007 gehörte Simon Tischer zur „Class of 2007″, also zu der Mannschaft, die mit dem VfB Friedrichshafen die Champions League gewann. Nach Stationen in Griechenland, Türkei, Russland, Polen und Frankreich kehrte Tischer 2014 an den Bodensee zurück. Gleichzeitig begann er sein Studium in Ansbach – Internationales Management. „Im Winter war es immer etwas zäh“, erzählt Tischer, der schließlich als Vollprofi wenig Zeit für akademische Weihen hatte. Heute ist er im achten Semester, konzentriert sich voll und ganz auf sein Leben nach dem Sport und hat dafür noch während seiner aktiven Karriere den passenden Partner gefunden.
Nur ein paar Tage nachdem Simon Tischer seine Volleyballschuhe an den Nagel gehängt hatte, begann sein Pflichtpraktikum. Tischer absolvierte dies im Controlling der Zeppelin Systems GmbH. Dort wird er nach seiner nächsten Theoriephase auch seine Bachelorarbeit schreiben und weiterhin im Unternehmen arbeiten. Dass ausgerechnet Zeppelin Tischers neuer Arbeitgeber wurde, ist kein Zufall. Schließlich ist der Häfler Konzern seit vielen Jahren Hauptsponsor der Volleyballer. Dort entstand auch der Kontakt. „Es ist toll, dass ich hier diese Möglichkeit hatte“, erzählt Tischer. „Zeppelin ist ein tolles Unternehmen und fördert mich an allen Ecken und Enden. Ich fühle mich sehr wohl.“
Dass er mit 36 Jahren der Praktikant ist, dass seine Vorgesetzten auch durchaus jünger sind als er und dass seine Kommilitonen eher Anfang 20 als Ende 30 sind – das alles ist für Simon Tischer kein Problem. Ganz im Gegenteil, er sieht es sportlich, wie es sich für einen Ex-Profi gehört. „Ich bin in dieser Materie völlig neu und lerne sehr viel“, sagt er. „Ich weiß aber auch, dass jemand in meinem Alter mehr Erfahrung hat und viele andere Qualitäten, die einem Unternehmen weiterhelfen können“. Er habe auch schön gehört „nicht unbedingt ein gewöhnlicher Praktikant“ zu sein. „Im Positiven“ schiebt er noch nach. Der Ehrgeiz scheint ihm aus seiner Zeit als Sportler geblieben zu sein.
Nach dem Spiel am Samstag machte sich Simon Tischer auf den Weg zu seinen ehemaligen Kollegen. Ganz rund läuft er nicht. Vor ein paar Wochen ließ er sich den Meniskus operieren. Ein Relikt as seiner Zeit als Profi. Ob es ihn nicht in den Fingern juckt, wenn er in Richtung Spielfeld schaut? „Ganz ehrlich?“, fragt er. „Eher nicht. Ich werde das oft gefragt und ich kann nur immer wieder dieselbe Antwort geben. Ich bin zufrieden mit dem was ich jetzt mache und weiß gleichzeitig, welche Arbeit hinter dem Leben als Profi steckt.“ Nervös sei er trotzdem, wenn er sich ein Spiel anschaut. „Das war früher irgendwie anders.“
Es hat sich viel geändert für Simon Tischer. Deshalb denkt er nicht an den Rücktritt vom Rücktritt. Er sei nach seiner Karriere nicht „in ein Loch gefallen“ und ist sehr froh, dass er „eine Aufgabe“ hat. Nur für die Aufgabe geht der gebürtige Lindacher aber nicht arbeiten. Das hat auch damit zu tun, dass auch ein Mann, der in ganz Volleyballeuropa erfolgreich war, weit davon entfernt ist, sich in Sachen Gehalt mit seinen Pendants im Fußball zu messen. „Ich kann jetzt nicht bis zu meinem Lebensende als Sport-Rentner um die Welt jetten“, so Tischer. „Ich musste etwas machen. Ich wollte etwas machen. Und mein neuer Lebensweg ist eine große Herausforderung, die ich gerne annehme.“
Dass seine Expertise aber weiterhin gefragt ist, zeigte sich auch am Samstag. Ein ehemaliger Mannschaftskollege nach dem anderen stand beim Kapitän der vorherigen Jahre. Auch Neuzugang Rafael Redwitz plauschte mit seinem Vorgänger. Man kennt sich eben. Als Gegner in Polen, Frankreich und der Nationalmannschaft. Und so ganz will Simon Tischer sich dem Volleyballsport auch nicht verweigern. Zumindest nicht mittelfristig. „Klar könnte ich mir vorstellen, auch wieder etwas zu tun“, so Tischer. „Dazu muss die Situation aber passen“. Seine Tochter Emma übrigens sorgt auch dafür, dass er das Vereinslogo des VfB nicht ganz aus den Augen verliert. Sie hat jetzt nämlich ihr eigenes. Das der U12 von Papas ehemaligem Arbeitgeber.