23. April 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Vier bis sechs Anmerkungen gibt VfB-Trainer Vital Heynen seinen Spielern in einer Auszeit mit auf den Weg. Er sei kein Trainer „der nichts zu sagen hat“, erklärt der Belgier dazu. Und bevor Heynen diese Anmerkungen in Worte fasst, schreibt er alles auf seinem Taktikboard auf. So wird es auch im Finale (erstes Spiel: 27. April, 17:30 Uhr) gegen Berlin sein. Der Permanentmarker den Heynen dafür benutzt, spielt aber eine viel größere Rolle als anzunehmen ist. Sein Stift hat ihn schon zum Weltmeister gemacht.
Es war der 21. September 2018 in Varna, Zwischenrunde der Volleyball Weltmeisterschaft. Vital Heynen war bis dahin mit den Polen fünf Begegnungen in Folge durchmarschiert. Dann kam Argentinien. Die Polen zogen mit 2:3 den Kürzeren. Schuld daran war ein Stift. Vital Heynen ist sich da sicher. Das schwarze Schreibgerät, mit dem er sowohl als Vereinstrainer als auch als Chefcoach der Polen sein Taktikboard malträtiert, hatte seinen Dienst versagt. Heynen wechselte mitten im Spiel zum neuen Stift und sein Team verlor. Auch die folgende Begegnung gegen Frankreich ging an den Gegner. Heynen hatte wieder den neuen Stift benutzt. „Ich habe dann zu den Jungs gesagt“, erzählt Heynen mit einem Grinsen im Gesicht. „Jetzt benutze ich wieder den Stift, der nicht schreibt. Dann gewinnen wir.“
Der Rest ist Geschichte. Heynen wurde mit Polen Weltmeister. Nur sein Coaching wurde immer schwieriger. Er musste sich Kürzel ausdenken, um mit dem Gewinner-Stift weiterhin all seine Gedanken aufzuschreiben. „Vor dem Finale musste ich den Stift nass machen, konnte noch einen Buchstaben schreiben und musste wieder zehn Minuten warten“, erzählt er und merkt noch kurz an, dass die Schwaben ihn mit ihrer sagenumwobenen Sparsamkeit da wohl am besten verstehen würden. „Ich musste mich also immer erinnern, was dieser eine Buchstabe zu bedeuten hatte. Am Ende haben wir aber gewonnen.“ Nach der WM schmiss Heynen den Stift weg. Er kaufte sich für den VfB zwei neue. „Ich war ja clever und habe die beiden Stifte dann abwechselnd benutzt, damit keiner plötzlich leer gehen konnte.“ Der Plan war gut. Vor dem dritten Halbfinale gegen Lüneburg passierte es trotzdem. Beide Stifte waren am Ende.
Seither krakelt der Trainer also wieder mehr als das er schreibt. Einen neuen Stift und eine Niederlage konnte er nicht gebrauchen. „Hätten wir Spiel drei verloren und dann vielleicht in Hamburg nochmal eine auf den Deckel bekommen“, sagt er, „dann hätten wir in Spiel fünf so richtig Probleme gehabt.“ Soweit kam es aber nicht. Sein Team zog ohne Niederlage in den Playoffs ins Finale ein. Dass wieder Berlin der Gegner sein wird und sich für Heynen im letzten Spiel mit den Häflern ein Kreis schließen könnte, ist ihm nicht wichtig. Auch wenn er sich für die Berliner noch eine fünfte Begegnung gegen Haching gewünscht hätte – gern „mit 20:18 im Tiebreak und vier gelben und roten Karten auf beiden Seiten.“ Natürlich ist auch das ein Scherz. Vital Heynen ist weit davon entfernt, Berlin zu fürchten.
„Seit ich in Friedrichshafen bin, haben wir immer unser Minimalziel erreicht. Wir haben Champions League gespielt, eine Trophäe gewonnen und waren – wenn Du alle Spiele zusammenzählst – die beste Mannschaft“, so Heynen. „Und da kann es uns egal sein, wer im Finale steht. Jetzt freue ich mich erst einmal, dass wir es ins Finale geschafft haben.“ Sowieso sei der kommende Samstag „noch so weit weg“, wie er sagt. Berlin und Friedrichshafen werden jedenfalls einigermaßen erholt in die erste Begegnung in die ZF Arena gehen. Zum siebten Mal in Folge übrigens ist das „Duell der Giganten“ eben auch das, das am Ende über die Meisterschaft entscheidet.
Was Heynen sich jetzt für die Finals wünscht? Den Titelgewinn seiner Mannschaft „in drei Spielen“, sagt er. Schließlich würden seine Stifte „mehr Spiele nicht mehr aushalten.“ Heynen weiß aber auch, dass der Weg zur Meisterschaft – egal ob in drei oder maximal fünf Spielen – ein schwieriger werden wird. Wobei auch vor dem WM-Finale gegen Brasilien alle Volleyballexperten eine sehr knappe Begegnung vorhergesagt hatten. Kubiak und Co. überrollten die Südamerikaner trotzdem glatt in drei Sätzen. Heynens Stifte hätten auch keinen Tiebreak mehr durchgestanden. Und manchmal wiederholt sich Geschichte eben auch.