21. Oktober 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Ein Volleyballer kann technisch noch so gut sein. Wenn er im entscheidenden Moment den Mut verliert, geht der Angriff daneben. Für die mentale Stärke arbeitet der Bundesstützpunkt in Friedrichshafen deshalb mit einer Sportpsychologin zusammen.
Wofür brauchen 15- bis 18-jährige Nachwuchsvolleyballer eine Psychologin? „Jeder Spieler hat Gedanken und Gefühle, die ihm im Weg stehen bei dem, was er machen will“, sagt Berit Kauffeldt und nennt Nervosität, Ängste, Ärger, Frust, aber auch erhöhtes Selbstbewusstsein als Beispiele. „Im Fußball gibt’s Leute, die Angst vor Zweikämpfen haben, weil sie sich nicht verletzen wollen“, sagt die Sportpsychologin, die zwei Jahre in der Jugendabteilung von Bayer Leverkusen gearbeitet hat, bevor sie sich im Sommer in ihrer Heimat Schwerin selbstständig gemacht hat.
Für viele Volleyballer eine schwierige Frage: Wie gehe ich mit dem „nächsten Ball“ um, wenn ich ein, zwei Fehler gemacht habe. Manch ein Annahmespieler bekommt es mit der Angst zu tun, wenn der Ball mit über 100 Stundenkilometer auf ihn zukommt. Ein anderer kann schlecht mit Kritik vom Trainer umgehen. „Bei jeder Sportart, die man intensiver betreibt, merkt man, dass viel mit dem Kopf zusammenhängt“, sagt Berit Kauffeldt.
Sie hält die Beispiele allgemein, nennt keinen Namen, denn die Gespräche unterliegen der Schweigepflicht und Inhalte verlassen nicht den Raum. Als Psychologin und ehemalige Volleyball-Profi weiß Berit Kauffeldt, wovon sie spricht, hat viele Situationen selbst erlebt. Während ihrer aktiven Zeit hat sie in vielen internationalen Teams gespielt und stand oft vor der Frage, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen soll. Besonders geprägt hat sie die Saison 2014/2015 im polnischen Wroclaw, ein – wie sie selbst sagt – schreckliches Jahr. Statt gefördert zu werden und Einsätze zu bekommen, saß die Mittelblockerin auf der Bank.
„Da habe ich mich zum ersten Mal selbst hinterfragt und mich gefragt, wer bin ich, wenn ich nicht Volleyball spiele“. Und sie hat gemerkt, dass es eine Chance ist, Dinge zu hinterfragen, die schlecht laufen. Damals hätte sie sich gewünscht, entsprechende Unterstützung zu bekommen. Nach Stationen in Italien, Polen, Russland und Frankreich hat die ehemalige Nationalspielerin 2018 ihre Karriere beendet.
Nach dem Abi hat die Profivolleyballerin ihre praktischen Erfahrungen mit theoretischem Wissen untermauert. Dem Bachelor in Sportpsychologie an der Fernuni Hagen folgte ein Master-Studium in Göttingen. Momentan arbeitet die 30-Jährige an ihrer Doktorarbeit und überprüft das „IGPM Team-Diagnose-Tool“.
Adrian Pfleghar sieht in der sportpsychologischen Begleitung am Bundesstützpunkt einen wichtigen Baustein, „den Jungs zu helfen, besser zu werden in allem was sie tun“. Das mentale Training gehört für den Stützpunkttrainer ebenso dazu, wie Technik- und Athletiktraining, eine gute Ernährung und ein adäquater Lebenswandel. „Mit Berit haben wir sehr viel Glück gehabt, weil sie durch ihre Vita sehr viel mitbringt und weiß, was dazugehört, den Schritt nach ganz oben zu schaffen“, sagt Pfleghar.
Die Kosten für die psychologische Betreuung trägt der Olympiastützpunkt Stuttgart, die Reisekosten übernimmt der Bundesstützpunkt. In dieser Saison sind zwei weitere Besuche geplant. Darüber hinaus bleiben die Spieler per Video-Chat oder telefonisch in Kontakt. Einer von ihnen ist der 17-jährige Silvio Hellrigl, der seit diesem Jahr bei den YoungStars spielt. Er findet es „mega cool, dass wir diese Möglichkeit haben“.