21. September 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Nach viereinhalb Wochen Lehrgang mit der deutschen U18-Nationalmannschaft inklusive einer Europameisterschaft in Italien ist Ben-Simon Bonin nun wieder ins Mannschaftstraining des VfB Friedrichshafen eingestiegen und komplettiert den Zwölfer-Kader von Cheftrainer Michael Warm. Der 17-Jährige hat sich mit dem DVV-Team als EM-Fünfter für die Weltmeisterschaften 2021 qualifiziert. Bonin spricht im Interview über seine Rolle in seinem ersten Profijahr, über eine Europameisterschaft vor Geisterkulisse und über das „Reinstottern“ in ein vorhandenes Mannschaftsgefüge.
Herr Bonin, Sie waren jetzt praktisch vier Wochen von der Außenwelt isoliert und auch die EM in Italien fand komplett ohne Zuschauer statt. Wie fühlt sich das als Volleyballer an?
Man muss schon sagen, dass das eine komplett neue Erfahrung ist. Normalerweise sind ja wenigstens ein paar Leute da, die ein wenig Stimmung machen. In Italien war eben nur der Gegner da und natürlich auch die Betreuer. Dadurch dass die Hallen klein und eng waren, war es aber trotzdem laut. Statt der Fans haben eben die Teams selbst Stimmung gemacht. Es wäre aber schon schön gewesen, die Familie oder Fans dabei gehabt zu haben. In manchen Situationen kann einem das schon helfen.
Es ist als schon auch für Sie erstrebenswert, in der Bundesliga wieder mit Zuschauern zu spielen?
(lacht) Ja, das auf jeden Fall. Das ist nicht vergleichbar, wenn man angefeuert wird oder eben nicht.
Kommen wir nochmal zur U18-EM. Sie sind mit Ihrer Mannschaft nach einem durchwachsenen Start Fünfter geworden und haben das Halbfinale nach einer Niederlage gegen Tschechien knapp verpasst. Das Ziel, ein WM-Ticket zu lösen, haben Sie erreicht. Waren Sie trotzdem enttäuscht, dass es am Ende nicht zum Spiel um die Medaillen gereicht hat?
Natürlich freuen wir uns, dass wir mit der WM-Qualifikation eines unserer Ziele erreicht haben. Als ehrgeiziger Sportler ärgere ich mich aber schon, dass wir das Halbfinale knapp verpasst haben. Ausgerechnet in diesem entscheidenden Spiel haben wir unsere vermeintlich schwächste Leistung gezeigt. Wir waren alle heiß auf das Spiel und haben gut trainiert – und plötzlich war auf dem Feld alles weg und nichts hat funktioniert. Vielleicht waren wir zu emotional und zu wenig fokussiert.
In der U18 und auch bei ihren bisherigen Einsätzen in der Jugend und bei den Volley YoungStars waren Sie Kapitän und Führungsspieler. Jetzt sind Sie mit 17 Jahren bei den Häfler Profis das Küken und in einer ganz anderen Rolle. Fühlt sich das nicht komisch an?
Komisch klingt mir zu negativ. Sagen wir doch, dass es anders ist. Ich finde es positiv anders. In meinen bisherigen Mannschaften war es so, dass ich versucht habe, viel Verantwortung zu übernehmen und mir meine Trainer diese Verantwortung auch übertragen haben. Das ist selbstverständlich auch Druck für einen jungen Spieler, aber ich habe das gern gemacht. Der nächste Schritt, bei den Profis sozusagen wieder „neu anzufangen“ ist aber sicher kein Schritt zurück, sondern eine Möglichkeit, an meiner Aufgabe zu wachsen und mich hochzuarbeiten. Sicher bin ich hier nicht der Chef auf dem Feld, aber das ist doch kein Problem. Wir haben so viele erfahrene Leute – und mit deren Hilfe kann ich wachsen. Ich habe das jetzt schon in den ersten Trainings gesehen, dass sie mir Tipps geben und wahnsinnig viel weitergeben können. Für mich gilt es jetzt, diesen Input auch umzusetzen.
Sie waren zum Trainingsstart für drei Tage bei der Mannschaft, dann ging es in die EM-Vorbereitung. Fühlen Sie sich jetzt trotzdem schon als Teil des Teams?
Die Gedanken habe ich mir schon ein bisschen gemacht, als ich in Italien war. Ich habe ja schon ein paar Dinge verpasst und konnte bei Instagram auch die Teamevents sehen. Da hatte ich schon Sehnsucht, zurück an den See zu kommen. Vor allem in der Vorbereitung auf die EM war das so. Aber ich muss sagen, dass diese Gedanken gleich nach meiner Ankunft hier verschwunden waren. Ich wurde super aufgenommen. Mein Mitbewohner Lukas Maase war total entspannt und wir waren gleich einmal zusammen einkaufen. Es gab kein „Reinstottern“ – ich habe mich sofort wohl gefühlt. Es gab also gar keine Grund für irgendwelche Sorgen.