19. März 2018 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Am vergangenen Mittwoch hatte der VfB Friedrichshafen mit 3:2 knapp das Hinspiel in der Champions League gegen die Berlin Recycling Volleys gewonnen. Kommenden Donnerstag entscheiden die beiden Konkurrenten dann in Friedrichshafen, wer in Europas Königsklasse unter die besten sechs Teams einziehen wird. Dazwischen – so wollte es die Bundesligaplanung – hatte Berlin sein Ligagastspiel bei den Häflern auszutragen. Ein Spiel ohne sportlichen Wert, da Platz eins und zwei schon für beide Teams gesichert waren. Das Zwischenspiel vor dem Höhepunkt also. Ein taktisches Geplänkel ohne Bedeutung. Hätte man vermuten können.
Im Fanblock ging es los, kurze Zeit später riefen fast alle der 3382 Zuschauer „Thilo, Thilo“ im Chor. Zur Wahl stand der beste Spieler einer Partie, die der VfB gerade mit 3:1 gegen die Berlin Recycling Volleys gewonnen hatte. Stelian Moculescu hatte ein Einsehen. Er bestimmte Thilo Späth-Westerholt zum MVP – zum Spieler der Partie. Seine Mitspieler freuten sich darüber fast noch mehr als er selbst und Heynen sagte scherzhaft, er wäre „fast schon sauer auf den Rest“ gewesen, weil Späth-Westerholt „im ersten Satz der beste Spieler war.“ Er selbst sprach später von einem „Kollektiv“, das diesen Sieg eingefahren habe. Das passt ziemlich genau zu seinem Naturell.
Späth-Westerholt hatte schon bei den Volley YoungStars im Nachwuchs Kontakt zum VfB. Seit 2010 spielt er in Friedrichshafen bei den Profis und ist dienstältester Häfler in Heynens Team. Als einziger Teilzeitprofi ist er Firmenkundenberater der Sparkasse Bodensee und Volleyballer zugleich und Backup für Libero Markus Steuerwald. Am Sonntag ging er allerdings als Außenangreifer ans Netz. Dass er spielen würde, wusste er. Auf welcher Position allerdings hatte Heynen ihm erst spät verraten.
Wäre Steuerwald, dessen Frau hochschwanger auf ihr erstes Kind wartet, in Richtung Kreißsaal unterwegs gewesen, hätte Späth-Westerholt ihn in auf seiner Stammposition vertreten. Da das Baby noch warten konnte, ging es für ihn eben als Angreifer los. „Ich konnte ja schon ein paar Angriffe trainieren diese Woche“, kommentierte er seine Situation trocken. „Außerdem habe ich das früher ja schon auch einmal gemacht.“ Allerdings nicht gegen Berlin und nicht über vier Sätze.
Bis zum Sonntag hatte Späth-Westerholt einen Punkt auf dem Ligakonto. Gegen Berlin waren es 15 an der Zahl und davon drei im Block. Kein anderer holte mehr Zähler für sein Team. Zum Satzgewinn in Durchgang zwei räumten 188 Westerholt-Zentimeter 205 auf der anderen Seite in Person von Kyle Russell ab. Die Halle tobte. „Der war schon nicht schlecht“, grinste Thilo Späth-Westerholt. Sein Favorit war allerdings ein anderer Ball. „Als Kühner den zweiten Ball angreifen wollte und ich ihn geblockt habe, das war fast noch ein bisschen geiler.“
Das Sahnespiel von Späth-Westerholt hatte sportlich wenig Wert. In der Liga sind die Positionen vergeben. Der Fokus liegt auf kommendem Donnerstag und dem Rückspiel in der Champions League gegen Berlin. Sowohl Moculescu als auch Heynen spielten mit verdeckten Karten, schonten ihre Stars. Heynen hätte sogar schweren Herzens eine Niederlage in Kauf genommen. „Wir haben gesagt, dass wir gegen die Stammformation von Berlin mit unserer Mannschaft auch verlieren können“, erzählt Späth-Westerholt von der taktischen Ausrichtung seines Coaches. „Wichtig war Vital nur, dass wir kämpfen.“ Und das hatten sie nach dem Verlust des ersten Satzes getan.
Rückschlüsse auf die Begegnung am Donnerstag will keiner ziehen, auch nicht Späth-Westerholt. Seinen kleinen oder eher größeren Triumph wird er trotzdem genießen. Ob er mit dieser Leistung nun Ambitionen auf einen Einsatz am Donnerstag habe? Er verpackt seine Antwort ein wenig schelmisch. „Vor so vollen Hallen wie heute spiele ich echt gern“, sagt er. „Ich laufe nur wieder von Anfang an auf, wenn am Donnerstag auch so viele Leute in der Arena sind.“ Natürlich meint er das mit einem Augenzwinkern. Die volle Halle am Donnerstag würde er liebend gern auch wieder von der Bank aus genießen.