15. Februar 2018 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Die Fans des VfB Friedrichshafen sind im Freudentaumel. In der Liga ungeschlagen, in knapp drei Wochen geht es um den DVV-Pokal in Mannheim und in der Champions League steht seit Mittwochabend der Gruppensieg fest. Letzteren machten die Häfler mit einem deutlichen 3:0 gegen den finnischen Meister aus Sastamala fix. Das gabs noch nie? Nun ja, zumindest in ähnlicher Form. 2007 war das, vor etwa elf Jahren. Als der VfB in Moskau den Thron des europäischen Volleyballs erklomm.
Etwas „Historisches“ verkündete Hallensprecher Sven Rautenberg nach dem 3:0-Sieg gegen Sastamala am Mittwochabend. Den Gruppensieg meinte Rautenberg und wohl auch die Art und Weise, wie der VfB sich diesen geholt hatte. Alle fünf Spiele gewonnen, nur drei Sätze abgegeben – nur dem Klubweltmeister und Titelverteidiger Kazan ist das ähnlich gelungen. Die Russen gewannen allerdings alle Spiele glatt. Friedrichshafen musste in Thessaloniki über fünf Sätze gehen. Nur 2006/2007 waren die Häfler auch nach der Gruppenphase Erster. Also nur fast historisch, zumindest was die nackten Zahlen angeht.
Damals – 2007 – kam der VfB bis in das Final Four. Was dann im Finalspiel in Moskau passierte, ist ebenfalls Geschichte. Friedrichshafen schlug Tours mit 3:1 und holte als erste und bis dato einzige deutsche Mannschaft die Krone Europas. VfB-Zuspieler Tomas Kocian war zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt und spielte Regionalliga in Mendig. Den Traum vom Finalturnier hat er sicher auch. Allerdings eher heimlich. Das letzte Spiel der Gruppenphase in Ankara hat nur noch statistischen wert. Dann geht es im KO-Modus um den Einzug in die Top sechs. Noch zwei Siege später wäre das Finalturnier perfekt. „Ja, aber ganz langsam“, sagt Kocian zu diesen Aussichten. „Wir hatten eine machbare Gruppe und jetzt kommen die wirklich großen Brocken. Wir machen das am besten wie bisher – Schritt für Schritt.“
Dass Kocian auf die Euphoriebremse tritt ist verständlich. Dass aber die Fans nun große Träume haben ist auch kein Wunder. Gegen Sastamala war der Druck hoch. Der Gruppensieg war in greifbarer Nähe. Statt zu verkrampfen fegten die Häfler ihren Gegner aus der Halle und ließen pro Satz nicht mehr als 15 Punkte zu. „Das beste Spiel der Saison“ nannte es der sonst so kritische Cheftrainer Vital Heynen später. Auch Kocian stand auf dem Feld manchmal der Mund offen. „Ich erinnere mich wie Urpo Sivula diesen Ball mit einem Sprung über die Bande rettet und wir den nächsten Angriff aufbauen“, erzählt er. „Und dann bekommt Protopsaltis den Ball und donnert ihn fast auf die Dreimeterlinie. Da hast Du richtig gesehen, dass diese Mannschaft Spaß hatte.“
Dass Kocian Teil dieser Spaß-Truppe war, hatte ebenfalls Symbolcharakter. Simon Tischer war nicht ganz fit, deshalb fiel Heynens Wahl auf seinen anderen Zuspieler. Eine Zeitung schrieb später, Heynen habe mit seiner „Top Fünfeinhalb“ gespielt. Der Halbe war dann wohl Tomas Kocian. Gekränkt ist der 29-Jährige davon nicht. „Simon ist Simon, da müssen wir nicht drüber reden“, sagt er über den Mann, der 2007 mit dem VfB Champions-League-Sieger wurde. „Aber schau auf das Ergebnis, viel besser geht das nicht. Wir haben beim VfB den großen Vorteil, auf allen Positionen durch die Bank gut besetzt zu sein. Vor allem bei den Zuspielern ist das selten – mir fallen da in Europa wenige Teams ein.“
Am Freitag packt Kocian dann wieder seine Koffer. Es geht nach Düren, in seine Heimat. Allerdings nicht um Urlaub zu machen, sondern um in der Liga gegen Düren zu bestehen. Vergangenes Jahr kassierten die Häfler dort eine Niederlage, auch deshalb ist es für Kocian ein „wichtiges Spiel“. Und natürlich auch, weil Friedrichshafen im 27. Spiel in Folge ungeschlagen bleiben will. Partie 28 geht dann gegen die United Volleys, nur vier Tage nach der Begegnung bei den Powervolleys. Kurz darauf Herrsching, dann geht es nach Ankara. „Englische Wochen“ sind im Moment fast schon Standard. „Wenn es nicht läuft, ist so ein Terminplan die Hölle“, so Kocian. „Wenn es so wie bei uns läuft, ist es prima. Du bleibst im Fluss.“ Seit 26 Spielen in Folge sind sie das. Diese Serie ist es übrigens wirklich – historisch.